Halten facebook, Twitter und andere das deutsche Gesetzbuch für nicht mehr als eine unverbindliche Empfehlung? Dies ist zumindest die Meinung des Würzburger Rechtsanwaltes Chan-Jo Jun, der den spektakulären Fall eines verleumdeten Syrers zuletzt gegen Facebook führte. Die sozialen Medien würden verleumderische Fakenews und strafbare Beleidigungen auf ihren Seiten dulden, weil dies ihnen Traffic und damit Geld bringe.
Der Parteilose Jun war auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen zum Rededuell gegen den parlamentarischen Staatssekretär im Bundesjustizministerium MdB Ulrich Kelber unter dem Titel „Gefahren aus dem Internet: Datensicherheit, hatespeech und social bots“ gekommen. Kelber, der wie Bundesjustizminister Heiko Maas unter anderem von der sogenannten Allianz für die Meinungsfreiheit für den Entwurf des Netzdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) kritisiert wird, berichtete, dass facebook und Twitter auch nach einem Monitoring strafbare Inhalte oft nicht zuverlässig löschen würden, so dass diese Netzwerke wegen ihrer Verweigerung regelrecht um Regulierung gebettelt hätten. Die Notwendigkeit zum Löschen machte er an einem kleinen Beispiel klar: „Wenn Jemand ein Hakenkreuz an ihr Haus sprüht, dann müssen sie es auch irgendwann entfernen, auch wenn es nicht von ihnen kommt."
„Es ist eine einmalige Chance, machen Sie das Gesetz!“, appellierte der Fachanwalt für IT-Recht Jun an den parlamentarischen Staatssekretär. Das Dilemma, dass sich die Netzwerke der Verantwortlichkeit nach § 10 TKG entziehen, indem sie einfach keinen Verantwortlichen benennen, müsse endlich beendet werden. „Die stehen nicht außerhalb des Gesetzes!“
Kelber betonte, dass die Kritik am NetzDG als Zensurgesetz Unsinn sei, weil nur das gelöscht werden müsse, was ohnehin verboten sei. Das es Probleme, wie einen Chilling effect bei Nutzern oder ein overblocking bei den Dienstanbietern geben könnte, wurde erörtert. Die Netzwerke, die richtig gut verdienen, müssten aber ihrer Verantwortung gerecht werden. Bußgelder gebe es im Übrigen nicht für strittige Fälle, sondern nur im Falle einer systematischen Verweigerung.
Etwas schwammig wurde der Staatssekretär auf die Frage aus dem Publikum, wie zu agieren sei, wenn die sozialen Netzwerke mit ihrem Sitz im Ausland keinen Verantwortlichen benennen würden. „Dann müssen wir ein internationales Rechtshilfeersuchen an einen anderen Staat versuchen.“ Wenn hier etwa, man denke nur an die USA, keine Hilfe zu bekommen sei, dann sei der Staat aber auch nicht hilflos, sagte Rechtsanwalt Jun auf Nachfrage nach der Veranstaltung. Wenn etwa die Drittforderungen gegen Werbekunden vom Staat gepfändet werden oder das Finanzamt entscheidet, dass die Werbekunden der Netzwerke ihre Ausgaben dort nicht mehr als Betriebsaufwand absetzen können, dann würden die sich rasch bewegen, meinte Chan-Jo Jun.
Eine interessante Forderung floss noch in die Diskussion mit ein, nämlich, dass derjenige dessen Beitrag gelöscht werden müsste, eine Art Rechtsbehelf bekommen muss, dies überprüfen zu lassen, da sonst in der Tat die Meinungsfreiheit im Netz in Gefahr gerät. Vertreter von facebook, die übrigens auch zur Veranstaltung eingeladen waren, hatten sich im Vorfeld entschuldigen lassen. So war die eineinhalbstündige Veranstaltung eher ein gegenseitiges Bestärken als ein harter Schlagabtausch, wie von einigen Zuhörern gewünscht.