AsJ sieht gestiegene Ablehnungszahlen mit Unbehagen
Beratungshilfe ist eine Sozialleistung, wobei das Amtsgericht mittellosen Rechtssuchenden Beratungshilfescheine erteilt für eine anwaltliche Beratung, wenn diese ein Rechtsproblem haben. Wurden vorletztes Jahr noch über 59.000 Beratungshilfescheine in Bayern erteilt, waren es dieses Jahr nur noch rund 41.000. Die Zahl der abgelehnten Beratungshilfeanträge hat dagegen sprunghaft zugenommen. Das Amtsgericht Würzburg ist bei der Ablehnung der Beratungshilfeanträge im Vergleich von 2015 auf 2016 von Platz 6 auf den unrühmlichen Platz 3 in Bayern geklettert.
Waren es vorletztes Jahr nur 298 Ablehnungen, ist die Zahl 2016 sprunghaft auf 500 gestiegen. Gleichzeitig ist die Zahl der bewilligten Anträge mit 955 auf 735 stark zurückgegangen. Bei der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen stößt diese Entwicklung auf Unbehagen.
Beim bayerischen Spitzenreiter für Beratungshilfeablehnungen, dem Amtsgericht Nürnberg, wurden im Vergleich zum Vorjahr hingegen nur rund 100 Anträge mehr abgelehnt (nun 3.686). Die Zahl der bewilligten Beratungshilfescheine ist aber von 5.080 auf 3.734 im Vorjahr regelrecht abgestürzt.
Rechtsanwalt Christopher Richter, LL.M.Eur, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer JuristInnen (AsJ) in Unterfranken, hat daher letztes Jahr einen Antrag an den Bundesvorstand der AsJ gestellt – der einstimmig angenommen wurde – das Beratungshilfegesetz zu reformieren. Der Würzburger Rechtsanwalt weiß von seinen Mandanten, dass Rechtspfleger den Ablehnungsgrund der Mutwilligkeit des Beratungshilfeersuchens exzessiv anwenden und auch ansonsten sehr hohe formale Hürden aufstellen. Jurist Richter hält diese Praxis mit dem Geist des Gesetzes nicht vereinbar. Die Ergebnisse mehrere von Richter mit angestoßenen parlamentarische Anfragen von MdL Stefan Schuster im Landtag zeigen, dass sich die Chancen von mittellosen Rechtssuchenden in Bayern Beratungshilfe zu erhalten manchenorts, darunter auch in Würzburg, merklich eingetrübt haben.
Es gibt jedoch noch Amtsgerichte, die lehnen kaum einen Beratungshilfeantrag ab(*). „Allein, dass bei manchen Amtsgerichten gar kein oder kaum ein Antrag abgelehnt wird, bei anderen, wie in Würzburg, aber mehr als jeder Zweite, lässt eine gewisse Behördenwillkür vermuten“, ärgert sich auch der Würzburger Anwalt Peter Lamprecht.
Die in der AsJ Unterfranken zusammengeschlossenen Anwälte wundern sich auch, mit welchen – milde gesprochen – kreativen Begründungen Rechtspfleger Anträge zum Nachteil von mittellosen Rechtssuchenden ablehnen. Die stellvertretende AsJ-Vorsitzende Ann-Kathrin Schneider fragt sich, wie diese Behördenpraxis mit dem im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz vereinbar sein soll. Der Würzburger Stadtrat und Rechtsanwalt Heinrich Jüstel sieht die Praxis des AG Würzburg ebenfalls kritisch. Beratungshilfe diene auch der Justiz. Mit bescheidenem finanziellen Aufwand filtert der Anwalt die Rechtsbegehren nach deren Erfolgsaussicht und entlastet die Justiz bereits im Vorfeld nicht unerheblich und verhindert so unsinnige Klagen, meint Jüstel.
(*) Zur Vertiefung: In Neustadt an der Aisch etwa wurde kein einziger Beratungshilfeantrag 2016 abgelehnt (638 bewilligt). In Neuburg an der Donau wurde nur ein Beratungshilfeantrag abgelehnt, aber 401 bewilligt. Beim Amtsgericht Weilheim in Oberbayern wurden drei abgelehnt (und 456 bewilligt); in Fürstenfeldbruck wurden auch nur vier Beratungshilfeanträge abgelehnt.