MdEP Bernd Lange: am Ende entscheidet das Europäische Parlament
Manche sehen darin die Quelle für Beschäftigung und Wachstum, andere befürchten das Schlimmste. Alle fühlen sich aber zu wenig informiert. Deshalb war der Saal in der Kickers Gaststätte in Würzburg zur Veranstaltung über das Freihandelsabkommen mit den USA – kurz TTIP – sehr gut gefüllt. Die Gäste kamen mit drängenden Fragen: gibt es weiterhin nach dem Abschluss eines Freihandelsabkommens Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards, kommen Chlorhühnchen auf den Tisch oder werden künftig Weltkonzerne einzelne Staaten verklagen?
Beantworten konnte diese Fragen der handelspolitische Sprecher der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament Bernd Lange. Die bayerische Spitzenkandidatin für die Europawahl Kerstin Westphal, MdEP hatte ihren Kollegen nach Würzburg eingeladen.
„Ich freue mich wieder hier zu sein und so mehr Transparenz in das Thema zu bringen“, sagte Bernd Lange. Er hatte sich dafür eingesetzt, dass neben den Abgeordneten des Europäischen Parlaments und der Nationalparlamente auch Interessengruppen informiert werden. „Im entsprechenden Gremium sitzen mittlerweile auch zwei Vertreter der europäischen Gewerkschaften. Das finde ich ausgesprochen wichtig“, so Bernd Lange. Nur so sei mehr Transparenz möglich und nur so könne auch eine gesellschaftliche Debatte über die Bedeutung unserer europäischen Werte und Standards entstehen. „Freihandel bedeutet für mich auch immer Fair Handeln. Deshalb brauchen wir Arbeitnehmerrechte genauso wie Umwelt- und Verbraucherschutzstandards.“
Drei rote Linien
Bernd Lange machte deutlich, dass die SPD einem Abkommen nur zustimmen werde, wenn drei rote Linien eingehalten werden. "Als erstes brauchen wir ein Datenschutzabkommen mit den USA. Hier geht es um elementare Bürgerrechte von 500 Millionen Europäern“. Zudem kritisierte Lange die Abhörpraktiken der NSA. „Die EU-Vertretung in Washington ist abgehört worden, das ist keine Grundlage zum Verhandeln.“
Zweitens kann es nur ein demokratisches und transparentes Abkommen geben. Manche drängten auf Zeit und wollten deshalb nur eine Art Rahmenvereinbarung beschließen. Details sollen über einen sogenannten Regelungsausschuss geklärt werden. „Am Ende entscheiden wir Abgeordneten im Europäischen Parlament, ob es ein Abkommen gibt oder nicht. Ein Abkommen, dessen wesentliche Inhalte im kleinen Kreis verhandelt wurden, lehnen wir ab. Für uns SPD-Abgeordnete geht Genauigkeit und Vollständigkeit vor irgendwelchen festgelegten zeitlichen Fristen“, so Bernd Lange. Welche Bedeutung das Europäische Parlament hat, machte Kerstin Westphal deutlich: „Wir haben das ACTA-Abkommen abgelehnt, weil wir Bürgerrechte gefährdet sahen.“ Die Kommission und die Regierungen hatten bereits zugestimmt und erwartet, dass dies auch das Europäische Parlament tun würde. „Wir haben aber deutlich gemacht, dass wir keine rote Linie überqueren – egal wie groß der politische Druck ist“, erklärt Kerstin Westphal.
Die dritte rote Linie ist für die SPD-Abgeordneten der Investitionsschutz. Bernd Lange ist von den derzeitigen Regelungen zum Schutz der Investoren überzeugt. „Wir brauchen kein Schiedsgerichtverfahren!“ Bernd Lange und Kerstin Westphal lehnen beide Verfahren außerhalb des normalen Gerichtswegs ab. „Es darf kein Verfahren geben, bei dem Konzerne Mitgliedsländer oder die EU auf milliardenhohe Strafzahlungen verklagen können, etwa weil es einen gesetzlichen Mindestlohn gibt." Zudem wäre dieses Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dieses Schiedsgerichtsverfahren sei undemokratisch und diene ausschließlich den Interessen der Konzerne, nicht der Menschen. "Deshalb wird es ein Schiedsgerichtsverfahren mit der SPD nicht geben“, erklärten Kerstin Westphal und Bernd Lange. Dank des öffentlichen Drucks und den Widerstand der Abgeordneten habe bereits jetzt die Kommission die Verhandlungen zum Investitionsschutz ausgesetzt.
Bernd Lange machte aber auch deutlich, dass ein Freihandelsabkommen sowohl in den USA als auch in der EU positive Wirkungen haben könnte. „Einen Zuwachs von Arbeitsplätzen auch hier in Unterfranken könnte es durchaus geben. Es kommt aber immer auch auf die Arbeitsbedingungen an“, so Bernd Lange. Die Gewerkschaftsvertreter aus den USA seien zum ersten Mal für ein Freihandelsabkommen. „Sie hoffen berechtigt, dass damit in den USA die Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerrechte verbessern würden“, so Bernd Lange.
Der DGB Regionsgeschäftsführer Frank Firsching forderte in diesem Zusammenhang, dass die jeweils besseren Standards in das Abkommen aufgenommen werden müssen.Nach Einschätzung von Bernd Lange werden die Verhandlungen noch geraume Zeit andauern. Bis dato sei vor allem sondiert worden. Der Ehrenvorsitzende der UnterfrankenSPD Walter Kolbow rief abschließend alle auf, am 25. Mai zur Europawahl zu gehen und SPD zu wählen. „Diese Wahl ist auch eine Entscheidung über ein mögliches Freihandelsabkommen. Nur wenn Abgeordnete, die Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards erhalten und ausbauen wollen, auch gewählt werden, können sich diese für die Interessen der Menschen einsetzen!“